Den folgenden Artikel stellen wir mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. med. Claudia Mainau, Ärztin für Allgemeinmedizin und medizinische Ayurveda-Spezialistin in 1030 Wien, ein.

7. Februar 2017 Veröffentlicht in ... leben nach krebs ...


Zum Glück ist es heute so, dass Krebserkrankungen immer öfter in sehr frühen Stadien erkannt und erfolgreich gezielt ehandelt werden können. Die Erkenntnisse der Krebsforschung haben es ermöglicht, dass moderne Therapiestrategien immer treffsicherer sind und weniger Nebenwirkungen und Folgeschäden nach sich ziehen, als das früher der Fall war. Die Folge davon ist, dass es glücklicherweise mehr Menschen als je zuvor gibt, die „ihren Krebs“ gut überstanden haben und in ein annähernd normales Leben „danach“ zurückkehren. Man sollte also meinen, wir würden vor lauter Glück bis in alle Ewigkeit frohlockend unser Dasein genießen und uns durch nichts davon abbringen lassen. Wenn nur erst einmal die Therapien überstanden, die Kontrolluntersuchungen unauffällig und alle Befunde im grünen Bereich sind. Wo das Schlimmste doch endlich überstanden ist! Aber warum tauchen dann immer wieder unerwartet alle möglichen Schwierigkeiten auf, mit denen man sich herumschlagen muss?!?

Krebstherapie geht nicht nur dem Krebs an den Kragen

Der Kampf gegen den Krebs ist ein gnadenloser, da lässt es sich nicht hundertprozentig vermeiden, dass durch Chemo- oder Strahlentherapie auch gesundes Gewebe getroffen und geschädigt wird. Steuer- und Regelkreise, die das reibungslose Zusammenspiel der unterschiedlichen Körperfunktionen gewährleisten, werden durcheinandergebracht. So kann es zu verschiedensten, unliebsamen Nebenwirkungen der Therapie kommen. Im Gegensatz zum selbst oft nicht direkt wahrnehmbaren Krebs sind die Auswirkungen der Therapie für die Betroffenen leider oft sehr deutlich spürbar und geben ihnen erst das Gefühl, so richtig wirklich krank zu sein. Mehr als die Krankheit selbst in ihrem anfänglichen Stadium. Für jedes
der eingesetzten Medikamente gibt es eine unendlich lange Liste mit bekannten„unerwünschten Wirkungen“, die man unter Umständen in Kauf nehmen muss. Manche können recht heftig ausfallen und sofort auftreten, unmittelbar während der Behandlung. Viele Nachwirkungen der Krankheit und Nebenwirkungen der Behandlung machen sich aber erst mit einiger Verzögerung bemerkbar.

Neben- und Nachwirkungen sind unvermeidlich im Kampf um Leben und Tod

Dass dann eine bestimmte, irgendwann viel später auftretende Veränderung bei einem Patienten im Zusammenhang mit der Chemotherapie vor etlichen Monaten steht, erkennt der behandelnde Arzt vielleicht nur deshalb, weil er sie als „typische Nebenwirkung“ der Substanz X oder Y kennt. Oder weil etwas gemessen wird, was nicht der gesunden Norm entspricht. Stellt der Arzt etwa bei einem Routine-Laborbefund fest, dass bestimmte Leberwerte verändert sind, dann kann das deswegen
der Fall sein, weil die Leber in ihrer Funktion als Entgiftungsorgan mit der „Schadstoff-Entsorgung“ der Chemotherapie an ihre Grenzen stößt. Diese Veränderung der Laborwerte ist in Zahlen zu fassen und kann dokumentiert werden. Also ist sie eeal. Genauso wie ein Gewichtsverlust – eine Folge von Appetitlosigkeit, ständiger Übelkeit und vielleicht auch noch häufigen Durchfällen – auf der Waage durch den Vergleich mit früheren Gewichtswerten deutlich abzulesen ist. So gibt es eine ganze Reihe von körperlichen Veränderungen, die messbar sind, objektivierbar und damit legitim. Sie müssen also auch anerkannt werden. Anders ist das zum Beispiel bei Schmerzen, die man ja nicht direkt messen kann. Der Patient, der Pech hat und an den falschen Arzt gerät, erhält auf seine Klage über Schmerzen als Antwort, „Das gibt es nicht!“, und wird so glatt zum Lügner gestempelt.

Sich schlecht fühlen ist nicht messbar

Wenn sich Menschen nicht wohlfühlen, ist das von außen nicht immer gleich so deutlich nachzuvollziehen. Man kann Wohlbefinden ja nicht messen! Viele Betroffene behalten es denn auch lieber für sich, wenn sie sich nicht so recht wohlfühlen, und haben die unterschiedlichsten Gründe dafür, warum sie sich niemandem anvertrauen möchten. Weil sie nicht zur Last fallen wollen, ist einer davon. Oder sie fürchten, für undankbar gehalten zu werden, gegenüber dem Schicksal, dass sie eine so schwere Krankheit überstehen durften und sich nun wegen Lappalien beklagen. Jemand, der eine Krebserkrankung und ihre Behandlung überstanden hat, kann niedergeschlagen, müde und traurig sein, kann schlecht schlafen und noch dazu das Gefühl haben, der einzige Mensch auf der ganzen großen, weiten Welt zu sein, dem es so geht. Dabei sind Befindlichkeitsstörungen wie Depressionen oder chronische Müdigkeit (auch als Fatigue-Syndrom bezeichnet) bei Krebspatientinnen und -patienten überdurchschnittlich häufig

Befindlichkeitsstörungen treten ganz häufig nach einer Krebserkrankung auf

Es mag ein kleiner Trost sein, zu hören, dass es noch ganz viele andere Betroffene gibt und diese unangenehmen Erscheinungen tatsächlich so etwas wie Nebenwirkungen sind. Obwohl sie sich nur auf einer subtilen Ebene bemerkbar machen und nicht direkt messbar sind, haben sie doch einen realen biochemischen Hintergrund. Dank der intensiven Forschungen zum Thema wissen wir heute schon einiges über die Auswirkungen, die das vom Krebs und seiner Behandlung ausgelöste chemische Chaos auf Körper und Psyche hat, wie in einer amerikanischen Studie zum Thema klar bewiesen werden konnte (1). Dazu werde ich demnächst berichten. Der Stein der Weisen, um diese Nachwirkungen auszuschalten, ist zwar noch nicht gefunden, aber immerhin tun sich durch das fortschreitende Verständnis neue Möglichkeiten auf, wie wir besser damit zurechtkommen können. Zum Glück gibt es unterschiedlichste Strategien, die beim besseren Zurechtkommen und sich wieder wohlfühlen helfen. In meinem Blog werde ich ganz viele davon vorstellen und hoffe, du kannst dir etwas davon für dich herausholen und umsetzen. Was hat dir geholfen? Ich freue mich über jeden Kommentar


(1) Miller AH, Ancoli-Israel S, Bower JE, Capuron L, Irwin MR (2008) Neuroendocrine-immune mechanisms of behavioral comorbidities in patients with cancer. J Clin Oncol 26 (6):971–982. DOI: 10.1200/JCO.2007.10.7805